Anonym bloggen: Mein persönlicher Rückzugsort und die Angst, entdeckt zu werden
Seit zehn Jahren existiert mein Blog. Zehn Jahre, in denen ich mir hier meine Gedanken von der Seele schreibe, mein Leben reflektiere und mir Raum für all das gebe, was mich beschäftigt. Doch vor einem Jahr habe ich eine drastische Entscheidung getroffen: Ich habe alle alten Beiträge gelöscht. Nicht, weil ich das Schreiben aufgeben wollte, sondern weil ich das Bedürfnis hatte, meine Privatsphäre stärker zu schützen. Manche Dinge waren zu persönlich, zu direkt. Ich wollte nicht riskieren, dass jemand aus meinem Umfeld zufällig auf den Blog stößt und ihn mit mir in Verbindung bringt.
Seitdem achte ich noch mehr darauf, was ich schreibe und wie ich meine Texte gestalte. Namen und Orte sind verfremdet, persönliche Details bewusst vage gehalten. Und doch lässt mich in letzter Zeit ein Gefühl nicht los – die Angst, dass mein Blog entdeckt wird. Ich weiß nicht genau, warum mich das gerade jetzt so beschäftigt. Vielleicht ist es eine intuitive Vorahnung oder einfach die Erkenntnis, dass absolute Anonymität im Internet nicht existiert. Ich frage mich, was passieren würde, wenn jemand aus meiner Familie oder meinem Freundeskreis plötzlich auf meine Texte stößt.
Es ist nicht so, dass ich über sie schlecht schreibe. Das ist nicht der Punkt. Aber es wäre befremdlich zu wissen, dass sie auf einmal Zugang zu Gedanken hätten, die ich mit ihnen nie so direkt teilen würde. Mein Blog ist mein persönlicher Rückzugsort, mein digitales Tagebuch. Hier kann ich offen schreiben, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, wer mitliest, ohne mich erklären oder rechtfertigen zu müssen. Wenn ich plötzlich wüsste, dass mein Umfeld meine Texte liest, würde ich automatisch anfangen, mich selbst zu zensieren. Vielleicht nicht bewusst, aber doch so, dass ich nicht mehr so frei schreiben könnte wie bisher.
Besonders meine Familie soll diesen Blog nicht finden. Sie wissen nichts von seiner Existenz, und genau das soll auch so bleiben. Nicht, weil ich sie bewusst ausschließen möchte, sondern weil dieser Blog mir hilft, Konflikte zu vermeiden. Seitdem ich meine Gedanken hier verarbeite, gibt es viel weniger Streit zu Hause. Früher habe ich mich oft direkt über Dinge aufgeregt und das in Diskussionen ausgetragen. Heute schreibe ich sie lieber auf, denke sie durch und lasse sie los. Das hilft mir, klarer zu werden und gelassener zu bleiben. Doch wenn meine Familie davon wüsste, würde sich das alles verändern. Sie würden vielleicht Fragen stellen, neugierig sein, sich einmischen – und genau das will ich nicht.
Auch meine Freunde und Bekannten sollen den Blog nicht entdecken. Sie kennen mich in einem bestimmten Rahmen, aber sie kennen nicht jeden Gedanken, den ich hier teile. Ich erzähle nicht jedem alles, und das ist auch gut so. Diese Grenze gibt es bewusst. Sollte jemand aus meinem Umfeld meinen Blog lesen, würde sich das Verhältnis zwangsläufig verändern. Plötzlich wüssten sie mehr über mich, als ich bereit war, ihnen zu erzählen. Vielleicht würden sie mich anders sehen, vielleicht würde ich mich ihnen gegenüber anders fühlen.
Das Internet ist groß, aber manchmal doch viel kleiner, als man denkt. Vielleicht stolpert jemand über einen Artikel und erkennt Parallelen. Vielleicht sucht jemand nach einem bestimmten Thema und landet genau hier. Vielleicht entdeckt mich jemand über meinen Namen „Joni“, der im Blog steht. Genau das macht es schwierig, den Blog abzustreiten, falls mich jemand darauf anspricht. Ich könnte nicht einfach sagen, dass ich damit nichts zu tun habe – und lügen will ich nicht. Doch die Vorstellung, mich plötzlich erklären zu müssen, fühlt sich beunruhigend an.
Deshalb habe ich mir einen Notfallplan überlegt, falls mein Blog doch entdeckt wird. Vielleicht würde ich ihn vorübergehend offline nehmen, um mir in Ruhe zu überlegen, wie ich weitermache. Das habe ich in der Vergangenheit schon ein paar Mal getan, aber es hatte den Nachteil, dass mein Blog dadurch aus der Google-Suche verschwand. Die ständigen Deaktivierungen haben dazu geführt, dass Google meinen Blog als irrelevant eingestuft hat. Jetzt wird er kaum noch gefunden, und wenn ich ihn wieder offline nehme, verliere ich noch mehr Sichtbarkeit. Das ist ein Problem, das ich irgendwie lösen muss.
Eine andere Möglichkeit wäre, den Blog unter einem neuen, neutralen Namen weiterzuführen. Das ist ein Gedanke, mit dem ich mich schon länger beschäftige – nicht nur wegen der Gefahr, entdeckt zu werden, sondern auch wegen der technischen Probleme mit der Google Search Console. Ein neuer Name würde mir mehr Sicherheit geben, weil niemand ihn mit mir in Verbindung bringen könnte. Doch auch hier gibt es Herausforderungen. In Deutschland gibt es eine Impressumspflicht, das bedeutet, dass ich meine echten Daten angeben muss. Ich müsste eine Möglichkeit finden, meine Identität zu schützen, ohne gegen rechtliche Vorschriften zu verstoßen.
Was auch immer passiert, eines ist sicher: Ich werde nicht aufhören zu bloggen. Dieser Blog ist nicht nur eine Website – er ist ein Teil von mir. Er hilft mir, meine Gedanken zu ordnen, meine Erlebnisse zu verarbeiten und einfach ich selbst zu sein. Vielleicht werde ich ihn irgendwann unter einem anderen Namen weiterführen, vielleicht finde ich eine bessere Lösung für die Anonymität. Aber aufhören? Nein. Dafür bedeutet mir das Schreiben zu viel.
Der Gedanke, entdeckt zu werden, ist beängstigend. Doch solange das nicht passiert, werde ich weiter diesen Raum nutzen, den ich mir geschaffen habe. Einen Ort, an dem ich frei schreiben kann, ohne mich verstellen zu müssen. Und genau das soll auch so bleiben.
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