Projekt52 – Thema: Aus der Reihe tanzen




Wenn andere aus der Reihe tanzen – und ich wieder den Scherbenhaufen aufkehren darf

Ich hab mir echt Mühe gegeben, wieder Struktur in mein Leben zu bringen.
Seit März begleitet mich Melanie vom Hilfenet. Assistenz im Alltag, jemand, der mich zu Terminen bringt, der hilft, der da ist. Es war ein kleiner Hoffnungsschimmer.
Und ja – anfangs lief’s wirklich gut. Ich dachte: Okay, vielleicht wird jetzt endlich mal was verlässlich.

Aber dann kam der Alltag. Und der tanzt selten nach Plan.
Melanie ist inzwischen Profi im Aus-der-Reihe-Tanzen.

Im März war sie weg – Haus gekauft, Umzug, Urlaub.
Im Mai wieder weg – Freizeit mit anderen Klienten. Auch wieder alles verständlich.
Aber für mich heißt das jedes Mal: Keine Assistenz. Keine Termine. Keine Chance.

Und weißt du, was das mit mir macht?
Ich kann mich auf nichts verlassen.
Kein Backup, kein Plan B, nur das große Vielleicht.
Und während andere sagen: „Das lässt sich sicher irgendwie regeln“, sitz ich da und muss zum dritten Mal in Folge die Krankengymnastik absagen. Oder hoffen, dass Mama wieder einspringt – obwohl sie selbst kaum noch Kraft hat.

Zwei Mal hat sie mir übrigens auch kurzfristig abgesagt. Einfach so, von einem Tag auf den anderen.
Zum Glück gab’s Ersatz – diesmal.
Aber was, wenn nicht? Dann wär ich wieder der, der auf dem Trockenen sitzt.
Schon wieder Krankengymnastik weg. Schon wieder „Sorry, geht nicht.“
Und ich frag mich: Wie oft soll ich das eigentlich noch mitmachen, bis endlich mal jemand merkt, wie viel da für mich dranhängt?

Vor zwei Wochen war Melanie mal wieder da.
Wir saßen im Auto, unterwegs zur Therapie.
Es war ruhig, fast entspannt – bis wir auf das Thema Ergotherapie kamen.

Ich weiß nicht, was passiert ist, aber auf einmal hat’s mich überrollt.
Ich hab ihr erzählt, wie oft ich Pech hatte.
Wie ich in der Ergotherapie nie lange bleiben durfte.
Wie die Therapeutin schwanger wurde – und zack, wieder war mein Platz weg.
Nix mit Übergang, nix mit Weiterbehandlung. Einfach raus.
Und jedes Mal dachte ich: Na toll, wieder alles umsonst.

Melanie hat ruhig zugehört, verständnisvoll. Kein Augenrollen, kein Genervtsein.
Aber seitdem… dreht’s sich in meinem Kopf.

Was, wenn ich da voll ins Fettnäpfchen getreten bin?
Was, wenn sie selbst schwanger ist – und ich genau das angesprochen habe, ohne es zu wissen?

Ich mein, ich hab’s nicht böse gemeint. Ich hab einfach erzählt, was mich beschäftigt. Was mich über Jahre genervt und verletzt hat.
Aber was, wenn sie da saß und sich innerlich gedacht hat: „Danke für nichts.“
Oder noch schlimmer: „Dem kann ich nichts mehr erzählen.“

Ich kenne diese Gedanken. Dieses Grübeln.
Ich bin dann der, der sich fragt, ob er zu ehrlich war. Ob er zu viel gesagt hat. Ob das, was ich erzählt hab, wieder mal jemandem zu nah ging.
Ich will niemanden verletzen – wirklich nicht.
Aber jedes Mal, wenn ich mich öffne, hab ich danach das Gefühl:

Vielleicht hättest du besser geschwiegen.

Und genau das beschäftigt mich bis heute.
Nicht, weil Melanie irgendwas gesagt hat – sondern gerade, weil sie nichts gesagt hat.
Vielleicht war’s okay. Vielleicht aber auch nicht.
Und das Schlimme ist: Ich kann’s nicht wissen.
Also bleibt die Frage offen. Und ich fühl mich, als hätte ich aus Versehen wieder einen stillen Rückzug ausgelöst, den keiner anspricht.

Letzte Woche? Kein Termin – sie war mit einem anderen Klienten unterwegs.
Diese Woche? Krank.

Ich mein, was soll ich sagen...
Ich hab’s satt, jedes Mal in der Luft zu hängen.

Wenn ich Glück hab, springt jemand ein.
Wenn nicht – tja, Pech gehabt.
Dann fall ich aus der Reihe, obwohl ich’s mir gar nicht leisten kann.

Und was mir endgültig den Stecker gezogen hat, war dieser Satz von ihr:

Ich weiß Ende Juli noch nicht, wie’s im August weitergeht – die Planung beim Hilfenet ist noch nicht so weit.

WIE BITTE?!

Ich kann nicht einfach abwarten, wie sich die Sterne bei euch ausrichten.
Ich brauch einen Plan. Eine Linie.
Einen verdammten Kalender, der nicht bei jedem Windstoß zusammenklappt.

Ich weiß, sie kann nichts für alles.
Aber ich weiß auch, dass ich nicht ständig die sein will, die zurückbleibt, wenn andere ihren eigenen Tanz tanzen.

„Aus der Reihe tanzen“ – klingt locker.
Nach Freiheit. Nach „Mach mal anders“.
Aber weißt du, was es für mich heißt?

Andere tanzen.
Ich steh da.
Mit abgesagten Terminen, zu viel Grübelei im Kopf und der ständigen Angst, dass die nächste Absage wieder alles kippt.

Ich will nicht mehr jedes Mal hoffen müssen, dass jemand kommt.
Ich will nicht jedes Gespräch auf die Goldwaage legen, aus Angst, jemanden zu vergraulen.
Ich will einfach nur mal das Gefühl haben, dass ich nicht der Störfaktor im Terminplan anderer bin.

Ich will auch mal aus der Reihe tanzen.
Aber dazu müsste ich erst mal auf festen Beinen stehen.

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