Jeden (Oster)sonntag – Projekt 52 – April 2025
Kennst du das Projekt 52 von Sara vom Blog Heldenhaushalt?
Da gibt’s jede Woche ein Thema – zum Schreiben oder Fotografieren.
Diese Woche: „Jeden Sonntag“. Klingt erstmal harmlos. Ist aber gar nicht so einfach, wenn man keinen klassischen Sonntag lebt. Oder vielleicht gerade deswegen?
Eigentlich hatte ich meinen Beitrag für diese Woche schon veröffentlicht. Doch am Ostersonntag kamen plötzlich Erinnerungen hoch, die ich nicht ignorieren wollte. Und so ist heute spontan ein zweiter Beitrag zum Wochenthema „Jeden Sonntag“ entstanden – persönlich, ehrlich und mit einem Blick zurück auf Kindheit, Sehschwierigkeiten und das scheinbar harmlose Versteckspiel um Osternester.
Osternester und Kindheitserinnerungen: Was ich nie gefunden habe
Ostern. Für viele ein Fest voller Rituale – darunter auch die berühmte Osternestsuche. Bei uns gehörte sie fest dazu. Jahr für Jahr zogen wir Kinder los, um in der Wohnung meiner Oma das zu finden, was der Osterhase versteckt hatte. Meine Oma wohnte im selben Haus wie wir – jeder in seiner eigenen Wohnung, aber an den Feiertagen waren wir zusammen. Zwei meiner Cousinen, die Kinder der Schwester meines Vaters, waren jedes Jahr dabei. Und jedes Jahr war es für sie ein riesen Spaß.
Für mich nicht.
Bei der Oma auf Osternestsuche
Meine Cousinen sprühten nur so vor Ideen, wo der Osterhase etwas versteckt haben könnte. Sie wussten genau, wo sie schauen mussten, und fanden ihre Nester im Handumdrehen. Ich hingegen stand da – planlos, unsicher, hilflos. Während die beiden längst ihre Schokoladenhasen auspackten, wusste ich nicht einmal, in welcher Ecke ich überhaupt anfangen sollte.
Am Ende musste man mir helfen. Ich war das einzige Kind, das sein Nest nie alleine fand. Und irgendwann wurde das zur Gewissheit: Ich finde es sowieso nicht. Nicht ohne Hilfe.
Unverstanden bei der Suche
Meine Oma hat das natürlich nicht verstanden. Für sie war das eine schöne Tradition. Vielleicht dachte sie sogar, ich brauche einfach nur ein bisschen mehr Herausforderung. Und so hatte ich oft das Gefühl, dass mein Nest noch schwerer versteckt war als die der anderen.
Während meine Cousinen zielstrebig unter Sofakissen oder hinter Blumentöpfen fündig wurden, stand ich mittendrin und hatte keine Ahnung, wo ich hinschauen sollte. Für sie war es ein Spiel. Für mich ein stiller Kampf, den ich jedes Jahr aufs Neue verlor – ohne dass es jemand so richtig bemerkte.
Jedes Jahr derselbe Ablauf
Es war fast schon ein fester Ablauf: Ostersonntag, die Familie kommt zusammen, die beiden Cousinen legen los, ich bleibe zurück. Meine Mutter versuchte irgendwann, mir zu helfen, indem sie Tipps gab. Manchmal spielten wir das klassische „warm–kalt“-Spiel: Wenn ich in die falsche Richtung lief, rief jemand „kalt!“, und je näher ich dem Versteck kam, desto wärmer wurde es. Bis hin zu „heiß!“.
Das Problem war nur: Ich stand dann vielleicht direkt vor dem Versteck – aber ich sah es nicht. Ich wusste nicht, wo ich hinschauen sollte. Ich sah nichts. Und das, was für alle um mich herum so eindeutig war, blieb mir verborgen.
Was ich damals nicht wusste
Heute weiß ich, warum das so war. Meine Sehbehinderung spielte schon damals eine Rolle, ohne dass ich es selbst wusste – und ohne dass es jemand erkannt hat. Ich war nicht zu langsam, nicht zu ungeschickt, und schon gar nicht zu blöd. Ich konnte das Nest schlichtweg nicht sehen. Punkt.
Und heute?
Heute tut mir das nicht weh. Es ist einfach eine Erinnerung, die ich einordnen kann. Ich bin weder verbittert noch enttäuscht. Ostern ist für mich bis heute kein besonders bedeutungsvolles Fest – wahrscheinlich auch deshalb. Ich verbinde damit nichts Schlechtes, aber eben auch nichts Besonderes.
Ich habe nie einen Zugang zu diesen Spielen und Traditionen gefunden. Vielleicht, weil ich früh lernen musste, dass ich anders funktioniere. Und das ist okay.
Ich bin mehr fürs Finden ohne Suchen
Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich nie ein besonders großer Fan vom Suchen war. Ich mag es, wenn Dinge da sind, wo man sie braucht – sichtbar, greifbar, ohne Umwege. Das Leben ist kompliziert genug, da muss man sich nicht auch noch freiwillig auf die Suche nach einem Nest machen, das hinterm Blumentopf hockt.
Heute lasse ich anderen gern den Vortritt beim Eiersuchen – und bleibe lieber beim Frühstück sitzen. Am besten mit einem Kaffee. Und wenn es doch mal ein Osternest gibt, freue ich mich, solange es mir jemand direkt in die Hand drückt. Ohne Rätsel. Ohne „kalt – warm – heiß“. Einfach so.
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