Weihnachten: Zwischen Nähe und Ruhe

Weihnachten – diese Zeit im Jahr, die für viele Menschen mit Vorfreude und Glanz verbunden ist. Für mich ist es anders. Es ist keine Abneigung gegen Weihnachten an sich, aber es ist auch keine Vorfreude im klassischen Sinn. Weihnachten bedeutet für mich vor allem eines: Herausforderungen. Nicht unbedingt äußere, sondern innere.

Dieses Jahr wird es für mich wieder schwierig. Weihnachten mit Besuch ist bei uns selten, und wenn es dann passiert, bringt es mein ohnehin fragiles Gleichgewicht schnell ins Wanken. Spontan hat sich meine Schwester für den ersten oder zweiten Feiertag angekündigt, damit die Kleine – ihre Tochter – ihr Geschenk bekommt. Und obwohl ich weiß, dass sie sich darüber freuen wird, habe ich innerlich schon jetzt ein Unwohlsein.

Weihnachten: Zwischen Nähe und Abstand

Weihnachten ist für viele ein Fest der Nähe, der Familie, der Vertrautheit. Aber was passiert, wenn Nähe sich für einen wie ein Zuviel anfühlt? Wenn die Menschen, die einem wichtig sind, gleichzeitig auch die sind, die einem am meisten Energie nehmen?

Ich habe lange versucht, das zu ignorieren, mich "zusammenzureißen" oder zu verstellen, weil ich dachte, das sei notwendig, um dazuzugehören. Aber je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass ich die richtige Mischung zwischen Nähe und Abstand für mich finden muss. Es ist nicht, dass ich meine Familie nicht mag. Es ist diese unausgesprochene Erwartung, dass man immer "funktioniert" – dass man präsent ist, mitlacht, mitredet. Aber oft kann ich das nicht.

Manchmal frage ich mich, ob es egoistisch ist, das so zu empfinden. Schließlich geht es bei Weihnachten doch um das Miteinander, oder? Aber ist es nicht auch wichtig, sich selbst dabei nicht zu verlieren?

Die Frage nach der Kirche

Heiligabend ist bei uns normalerweise ruhig, oft ohne großen Besuch. Aber dieses Jahr bin ich mir unsicher, ob ich in die Kirche gehen soll. Es ist eine schöne Tradition, die ich mit Weihnachten verbinde, und es gibt Momente, in denen ich den Gedanken daran als angenehm empfinde. Doch gleichzeitig weiß ich, wie anstrengend es sein kann – die vielen Menschen, die Geräusche, das lange Sitzen.

Vielleicht werden wir vorher noch Oma im Altenheim besuchen. Das ist auch so eine Sache: Der Gedanke, sie an Weihnachten zu sehen, erfüllt mich mit Freude, aber es ist auch mit einer gewissen Traurigkeit verbunden. Früher war sie der Mittelpunkt, bei ihr war alles einfach. Jetzt ist vieles anders, und das spüre ich besonders an solchen Tagen.

Am Ende wird es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass ich mich spontan entscheide. Manchmal muss man den Moment abwarten, um zu spüren, was das Richtige für einen ist.

Die leise Sehnsucht nach Einfachheit

Früher war Weihnachten bei uns einfacher. Bevor Oma ins Altenheim zog, sind wir immer zu ihr gegangen. Mit belegten Broten, ohne viel Schnickschnack. Es war still und unkompliziert. Und diese Art von Weihnachten vermisse ich manchmal. Es ging nicht um Perfektion oder große Gesten, sondern um das Zusammensein – in einer Form, die niemanden überforderte.

Heute ist es anders. Oma lebt im Altenheim, und obwohl wir sie besuchen, fehlt diese Atmosphäre von damals. Alles ist hektischer geworden, lauter, irgendwie fordernder. Und ich merke, dass ich oft versuche, mich an diese neuen Gegebenheiten anzupassen, obwohl es nicht das ist, was ich brauche.

Raclette: Genuss oder Belastung?

Raclette gibt es bei uns an Weihnachten nur selten. Es ist eher ein "Event", das wir für die Familie machen, wenn Besuch kommt. Jeder kann sich sein Pfännchen belegen, wie er mag, und es entsteht eine gesellige Stimmung, die viele daran schätzen.

Ich habe meine Lieblingskombination, die ich jedes Mal mache: ein Pfännchen mit Käse, Schwarzwälder Schinken und Preiselbeeren. Diese Mischung schmeckt perfekt – der würzige Schinken, der geschmolzene Käse und die süße Note von den Preiselbeeren. Die Idee dazu habe ich vom Stadtfest, wo es diese Kombination in einem Laugenweckle gibt. Manchmal wünsche ich mir, Raclette wäre immer so einfach: schnell, praktisch, ohne viel Drumherum.

Aber Raclette ist für mich auch eine Herausforderung. Es fängt schon damit an, dass man am Tisch sitzt, während um einen herum so viel passiert. Es ist, als müsste ich konstant präsent sein, obwohl ich mich innerlich oft zurückziehen will. Und dann dieses Völlegefühl, das alles überschattet – als hätte man es wieder einmal übertrieben. Nach ein paar Pfännchen sehne ich mich nach meiner Bitterkraft, diesen Tropfen aus bitteren Kräutern, die meinen Magen beruhigen. Für andere ist es der Schnaps, für mich ist es diese alternative Erleichterung. Vielleicht, weil ich auf diese Weise wenigstens ein bisschen Kontrolle zurückgewinne.

Die Kleine und ihr Einhornpferd

Natürlich gibt es Momente, die für andere besonders schön sind. Zum Beispiel, wenn die Kleine ihr Geschenk bekommt – ein Einhornpferd von Oma, oder besser gesagt, vom Weihnachtsmann. Sie wird strahlen, herumlaufen, sich freuen. Und ich? Ich werde versuchen, das mit einem gewissen Abstand zu beobachten.

Kinder haben diese unfassbare Fähigkeit, im Moment zu leben. Sie denken nicht darüber nach, ob sie zu laut sind, ob sie zu viel Platz einnehmen, ob sie anderen zu viel sind. Und manchmal beneide ich sie dafür. Ich frage mich oft, ob ich je diese Unbekümmertheit hatte, oder ob ich schon immer jemand war, der sich selbst hinterfragte.

Weihnachten ohne Deko und Musik

Bei uns gibt es weder Weihnachtsbeleuchtung noch einen Baum. Viele würden sagen, das gehört doch dazu. Aber für mich nicht. Ein Baum ist Arbeit, Musik ist zu laut – beides passt nicht zu dem, was ich brauche. Für mich ist Stille die beste Weihnachtsstimmung.

Manchmal frage ich mich, ob ich mir damit etwas nehme. Vielleicht verpasse ich diese "Magie", von der andere immer sprechen. Aber vielleicht finde ich sie auch genau in dem, was ich weglasse. In der Ruhe, in der Einfachheit, die für mich viel wichtiger ist als glitzernde Lichter oder festliche Klänge.

Mein kleines Highlight: Panettone

Ein kleines Highlight habe ich aber doch: Panettone. Dieses italienische Hefegebäck, gefüllt mit Rosinen und kandierten Früchten, gehört für mich irgendwie dazu. Es ist leicht, süß und genau das Richtige, wenn man sich nach etwas Unaufgeregtem sehnt – im Kontrast zu all dem schweren Essen und den noch schwereren Momenten.

Weihnachten: Eine stille Herausforderung

Weihnachten ist für mich eine stille Herausforderung. Es ist nicht der Trubel, der mich wirklich fordert, sondern das, was in mir passiert. Es ist das ständige Ringen um die richtige Mischung aus Nähe und Abstand, zwischen den Erwartungen der anderen und meinem Bedürfnis nach Rückzug.

Manchmal fühle ich mich, als würde ich allen gerecht werden wollen, nur nicht mir selbst. Und genau das macht Weihnachten so schwierig. Aber vielleicht ist das auch die Lektion: dass ich lernen muss, mir selbst treu zu bleiben, auch wenn das bedeutet, dass ich nicht immer in die Vorstellungen anderer passe.

Ich hoffe, dass ich in den kommenden Tagen Momente finde, die mich daran erinnern, was wirklich zählt. Nicht die Geschenke, nicht die Perfektion, sondern die kleinen Augenblicke, in denen ich spüre, dass es okay ist, so zu sein, wie ich bin – mit allen Widersprüchen, allen Schwächen und allen Bedürfnissen nach Ruhe. Weihnachten muss nicht perfekt sein. Es muss nur ehrlich sein.



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